Leichte Sprache hat feste Regeln, die von verschiedenen Institutionen entwickelt wurden. In den meisten Aspekten stimmen diese Regeln überein, es gibt jedoch auch kleine Unterschiede. Zwei der bekanntesten Regelwerke stammen von der Forschungsstelle Leichte Sprache und dem Netzwerk Leichte Sprache. In diesem Blogbeitrag stellen wir diese beiden Regelwerke vor und vergleichen ihre Ansätze.
Regelwerk der Forschungsstelle Leichte Sprache
Die Forschungsstelle Leichte Sprache wurde 2014 an der Universität Hildesheim gegründet. Ihr Ziel ist es, Leichte Sprache wissenschaftlich zu erforschen und weiterzuentwickeln. Das Regelwerk der Forschungsstelle basiert auf sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen und legt großen Wert auf wissenschaftliche Evidenz.
Regelwerk des Netzwerks Leichte Sprache
Das Netzwerk Leichte Sprache wurde 2006 gegründet und veröffentlichte 2009 sein erstes Regelwerk (Neuauflage: 2022). Es entstand aus der Praxis heraus und wird von Menschen ohne und mit kognitiver Beeinträchtigung (Selbstbezeichnung: Menschen mit Lernschwierigkeiten) gemeinsam entwickelt.2013 wurde außerdem in Kooperation mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Broschüre herausgegeben, die die Regeln des Netzwerks zusammenfasst. Das Netzwerk legt großen Wert auf die praktische Anwendbarkeit der Regeln und die Einbindung der Zielgruppe in den Entwicklungsprozess.
Vergleich der Regelwerke
Beide Regelwerke verfolgen das Ziel, Leichte Sprache zu standardisieren und ihre Qualität zu sichern. Dennoch gibt es Unterschiede in ihrem Ansatz. Während die Forschungsstelle einen stärker wissenschaftlichen Ansatz verfolgt, basiert das Regelwerk des Netzwerks auf praktischen Erfahrungen und der Zusammenarbeit mit der Zielgruppe. Das zeigt sich auch daran, dass das Regelwerk der Forschungsstelle an Übersetzer:innen gerichtet und in Standardsprache verfasst ist, während das Regelwerk des Netzwerks sowohl an Übersetzer:innen als auch an Prüfer:innen gerichtet und selbst in Leichter Sprache geschrieben ist.
Die größten inhaltlichen Unterschiede sind folgende:
Forschungsstelle Leichte Sprache | Netzwerk Leichte Sprache |
Trennung langer Wörter mit Mediopunkt Beispiel: Bundes·gleichstellungs·gesetz | Trennung langer Wörter mit Bindestrich Beispiel: Bundes-Gleichstellungs-Gesetz |
Satzstellung Subjekt – Prädikat – Objekt, aber Fokusstrukturen erlaubt Beispiel: Deshalb bezahlt Frau Müller die Rechnung. | Satzstellung Subjekt – Prädikat – Objekt Beispiel: Frau Müller bezahlt deshalb die Rechnung. |
keine unvollständigen Sätze erlaubt Beispiel: Wollen Sie nach München fahren? Oder wollen Sie nach Hamburg fahren? | unvollständige Sätze erlaubt Beispiel: Wollen Sie nach München fahren? Oder nach Hamburg? |
Präsens und Perfekt verwenden, Präteritum und Futur vermeiden | keine Angabe zu Zeitformen |
keine Personalpronomen der 3. Person | keine Angabe zu Personalpronomen |
Einrückungen für Erläuterungen und Beispiele | keine Einrückungen für Erläuterungen und Beispiele |
kein Gendern | Gendern mit Doppelnennung, männlich vor weiblich Beispiel: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen |
Zielgruppenprüfung wünschenswert | Zielgruppenprüfung obligatorisch |
Eine Zielgruppenprüfung bieten wir immer an – egal, nach welchem Regelwerk wir Ihre Texte übersetzen!
Fazit
Die Regelwerke der Forschungsstelle Leichte Sprache und des Netzwerks Leichte Sprache bieten wertvolle Unterstützung für die Erstellung von Texten in Leichter Sprache. In den meisten Aspekten sind sich die Regelwerke einig, der zugrundeliegende Ansatz und einige inhaltliche Punkte unterscheiden sich jedoch. Die Entscheidung darüber, welche Regeln wir für die Übersetzung Ihrer Texte anwenden sollen, liegt ganz bei Ihnen. Gerne beraten wir Sie natürlich auch dazu!