Leichte Sprache hat sich als wichtiges Instrument zur Förderung von Inklusion und Barrierefreiheit etabliert. Sie ermöglicht es Menschen mit Kommunikationseinschränkungen, Informationen besser zu verstehen. Doch trotz ihrer positiven Ziele und Erfolge ist Leichte Sprache nicht frei von Kontroversen und Vorurteilen. Dieser Artikel beleuchtet diese Aspekte und diskutiert mögliche Wege, um das Stigmatisierungspotenzial zu verringern.
Kritik an Leichter Sprache
Leichte Sprache wird trotz des inklusiven Ansatzes aus verschiedenen Gründen kritisiert:
1. Vereinfachung: Ein häufiger Kritikpunkt ist, dass Leichte Sprache Texte zu stark vereinfacht und dadurch wichtige Nuancen und Informationen verloren gehen. Kritiker:innen argumentieren, dass diese Varietät zu einem Sprachverfall des Deutschen führen könnte.
2. Ästhetik und Stil: Die klare und einfache Struktur der Leichten Sprache wird als ästhetisch unbefriedigend empfunden. Literarische Texte oder komplexe Sachverhalte lassen sich nur schwer in Leichter Sprache darstellen, ohne ihren Charakter zu verlieren.
3. Kosten und Aufwand: Die Erstellung von Texten in Leichter Sprache erfordert Zeit und Ressourcen. Dies kann zu Diskussionen darüber führen, ob die Investition gerechtfertigt ist, insbesondere in Zeiten knapper Budgets.
Stigmatisierung von Nutzer:innen und Autor:innen
Leichte Sprache ist auch mit Stigmata verbunden, die sowohl die Nutzer:innen als auch die Autor:innen betreffen können:
Stigmatisierung der Nutzer:innen: Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, werden oft stigmatisiert. Viele beklagen, dass mittels der Leichten Sprache Menschen mit Behinderung sprachliche und kognitive Defizite zugewiesen werden, was dazu führt, dass die Vorurteile gegenüber diesen Menschen bestätigt werden. Dies kann zu sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung führen.
Stigmatisierung der Autor:innen: Auch diejenigen, die in Leichter Sprache schreiben oder übersetzen, können mit Vorurteilen konfrontiert werden. Ihre Arbeit wird manchmal als weniger wertvoll oder anspruchsvoll angesehen.
Ursachen der Stigmatisierung
Die Stigmatisierung der Leichten Sprache hat verschiedene Ursachen:
– Unwissenheit und Vorurteile: Viele Menschen sind nicht ausreichend über Leichte Sprache und ihre Ziele informiert. Dies führt zu Missverständnissen und Vorurteilen.
– Gesellschaftliche Normen: In unserer Gesellschaft herrscht oft die Vorstellung, dass komplexe Sprache ein Zeichen von Intelligenz und Bildung ist. Leichte Sprache widerspricht dieser Norm und provoziert daher Widerstand.
– Erstellung mangelhafter Texte: Das Übersetzen oder Erstellen von Texten in Leichter Sprache ist eine komplexe Praxis, die verschiedene fachliche Kompetenzen benötigt. Das fehlende Bewusstsein für diese Kompetenzen führt dazu, dass mangelhafte Texte erstellt werden, die für die Zielgruppe nicht funktional sind oder ungrammatische Strukturen verwenden und so das Image von Texten in Leichter Sprache weiter verschlechtern.
Wege aus der Stigmatisierung
Um die Stigmatisierung der Leichten Sprache zu überwinden bzw. zu verringern, sind verschiedene Maßnahmen notwendig:
1. Aufklärung und Bildung: Es ist wichtig, die Öffentlichkeit über die Ziele und Vorteile der Leichten Sprache aufzuklären. Schulungen und Informationskampagnen können dazu beitragen, Vorurteile abzubauen.
2. Vorbilder und positive Beispiele: Erfolgreiche Projekte und bekannte Persönlichkeiten, die sich für Leichte Sprache einsetzen, können als Vorbilder dienen und die Akzeptanz erhöhen.
3. Qualität der Texte: Eine hohe Qualität der Texte kann das Stigmatisierungspotenzial verringern, indem der verständlichkeitsorientierte Ansatz keine Rechtfertigung für den Einsatz ungrammatischer Strukturen oder eines niedrigen Registers darstellt.
Fazit
Leichte Sprache ist mit Stigmata verbunden, was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass sie einen wichtigen Beitrag zu Inklusion und Barrierefreiheit leistet. Zwar kann durch verschiedene Maßnahmen die Akzeptanz der Leichten Sprache erhöht werden, dennoch kann das Stigmatisierungspotenzial nicht ganz überwunden werden. Leichte Sprache greift tief in die Ästhetik der Texte ein, weil der Fokus auf der Verständlichkeit liegt. Dieser Aspekt führt dazu, dass Leichte-Sprache-Texte von der Mehrheitsgesellschaft als statusniedriger empfunden werden, was aber kein Argument dafür sein kann, der Zielgruppe diese Texte vorzuenthalten.