Barrierefreiheit im Recht
Rechtstexte begegnen uns in unserem Leben sehr häufig. Wir erhalten Mietverträge, Handyverträge oder wollen uns über die neuste Corona-Verordnung informieren. Auch die Regeln unseres gesellschaftlichen Lebens sind im Grundgesetz verankert. Ohne dies würde unsere Demokratie nicht funktionieren. Da ist es doch paradox, dass gerade die Regeln, die uns alle betreffen, so kompliziert geschrieben sind.
Auch die Zielgruppe von Leichter und Einfacher Sprache ist immer wieder mit schwer verständlichen Rechtstexten konfrontiert. Sie müssen Sozialleistungen beantragen, benötigen Hilfen bei der Betreuung und Unterbringung und müssen sich mit der Rente und dem Schwerbehindertenausweis auseinandersetzen. Nun sind aber gerade diese Dokumente und Anträge dem Fachgebiet Recht zuzuordnen und kaum verständlich. Dies kann zu Problemen führen, wenn wichtige Dinge entschieden werden müssen. Deswegen ist ein Zusatzangebot in Leichter und Einfacher Sprache so wichtig.
Außerdem haben Gehörlose und Hörgeschädigte zu vielen Anlässen einen Rechtsanspruch auf Gebärdensprachdolmetscher:innen oder Schriftdolmetscher:innen. Dabei werden die Kosten häufig vom jeweiligen Träger, also z.B. dem Sozialamt oder dem Gericht, übernommen.
Warum ist Rechtssprache so schwer?
Woran liegt es jetzt aber, dass uns gerade die Rechtssprache so viele Probleme bereitet? Rechtstexte sind immer abstrakt. Sie beschreiben keine klar strukturierten Vorgänge, sondern müssen nach Möglichkeit viele Lösungen und Optionen abdecken. Rechtstexte müssen vor Gericht gelten und es muss damit argumentiert werden können. Deswegen müssen sie jeder Argumentation standhalten und dürfen keine Schlupflöcher zulassen. Zudem dienen Rechtstexte zur Kommunikation innerhalb des Fachs. Sie müssen also von den Jurist:innen verstanden werden und dabei effizient und prägnant in ihrer Sprache sein.
Ein weiterer Grund für die Komplexität der Rechtssprache ist der Wortschatz. Im Recht werden zum einen typische Fachwörter verwendet, aber zum anderen werden auch vermeintliche Alltagswörter genutzt. Diese werden dann als leicht verständlich wahrgenommen, haben aber leider eine völlig andere Bedeutung und können so schnell zu Missverständnissen führen.
Zum Beispiel das Wort „Unterbringung“. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet es, eine Unterkunft zu finden. In der Rechtssprache bedeutet „Unterbringung“ allerdings die Einweisung in eine geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Klinik oder eine Entzugsklinik ohne oder gegen den Willen des oder der Betroffenen. Hier kann ein Rechtstext also schnell falsch interpretiert werden und eventuell wird etwas unterschrieben, das eigentlich gar nicht gewollt ist.
Eine kurze Reise in die Vergangenheit
Tatsächlich orientiert sich unsere Rechtssprache am alten Rom. Dort wurden Rechtstexte auf Latein verfasst und das spiegelt sich heute in unserer Rechtssprache wider. Das alte Latein ist bekannt für seine verschachtelten Sätze und das Auseinanderreißen von Satzteilen, sodass am Ende des Satzes keiner mehr weiß, was eigentlich am Anfang stand. Man sah damals zu Rom und seinen Juristen auf und wollte deren Sprache nachahmen. Auch bei der Übersetzung wurde sich stark am Latein orientiert und versucht, sprachlich und stilistisch möglichst nahe am Original zu bleiben.
1794 wurde das allgemeine Landrecht erlassen und man erhoffte sich, diese komplizierten Satzkonstruktionen hinter sich zu lassen. Hier hatte jeder Satz nur einen Nebensatz. So wurden die Nebensätze allerdings nur noch länger, um dort alle wichtigen Informationen unterbringen zu können.
Im 19. und 20. Jahrhundert machten die Deutschen dann aber wieder Rückschritte zum römischen Reich. Es häuften sich Formulierungen mit „zu“ wie z.B. „Die Anzeige hat zu erfolgen“, dadurch wird die Anonymität des Textes verstärkt und die Verantwortung abgegeben. Diese Formulierungen finden sich bis heute in unseren Rechtstexten.
Rechtstexte in Leichter Sprache
Im Bundesgleichstellungsgesetz ist die Bereitstellung von Rechtstexten in Leichter Sprache geregelt. Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen haben einen Anspruch auf angemessene Informationen. Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke sind auf Nachfrage in Leichter Sprache bereitzustellen. Also handeln Sie jetzt und stellen Sie Ihre Information in einer für Ihre Zielgruppe angemessenen Sprache dar.
Natürlich sollte die Leichte-Sprache-Übersetzung dem Originaltext möglichst genau entsprechen. Allerdings ist dies nicht immer umsetzbar. Rechtstexte setzen oft einiges an Vorwissen und Erfahrung voraus, über das die Zielgruppe der Übersetzung nicht unbedingt verfügt. Hier spricht man vom Common Ground. Dieser beschreibt das gemeinsame Wissen zweier Kommunikationspartner:innen zu einem Thema. Bei der Zielgruppe von Leichter Sprache ist dieser Common Ground sehr viel kleiner und das nicht bekannte Wissen muss zunächst im Text angelegt werden, wodurch die Übersetzung natürlich an Länge gewinnt. Genauso wie die Fremdwörter, die in der Übersetzung kurz erläutert werden müssen.
Außerdem ist der Nutzen des Textes nicht immer direkt klar. Dies sollte in der Übersetzung direkt zu Beginn kurz erläutert werden (z.B. Wofür brauche ich das persönliche Budget). Weiterhin sind Rechtstexte meistens überwiegend im Passiv geschrieben. Das sollte in Leichter Sprache unbedingt vermieden werden, da es schwerer zu verstehen ist. Die handelnde Person sollte also immer benannt werden (z.B. „Person XY muss Anzeige erstatten“ statt („Die Anzeige hat zu erfolgen)“.
Da die Übersetzung durch die zusätzlichen Erklärungen zwangsläufig länger wird, muss an anderer Stelle gekürzt werden. Natürlich besprechen wir mit Ihnen vor der Übersetzung welche Inhalte wir kürzen und welche wir erläutern würden.
Leichte-Sprache-Übersetzungen können auch als Einführung in das Thema genutzt werden, um dann den Standardtext vertiefend zu lesen. Die Leichte Sprache fungiert hier als Brücke zur Standardsprache. Die Lesenden können sich einen ersten Eindruck machen und sich bei Bedarf tiefgehend informieren.
Leichte-Sprache-Übersetzungen sind also gar nicht so leicht und erfordern viel Absprache mit Ihnen als Auftaggeber:in. Aber dafür sind sie eine große Erweiterung und ermöglichen Ihnen, mehr Menschen zu erreichen. Falls Sie unsicher sind, wie Sie Ihre Inhalte darstellen wollen, beraten wir Sie gerne und entscheiden gemeinsam was für Ihre Zielgruppe relevant ist.
Rechtssicherheit durch Leichte Sprache
Es ist wichtig zu erwähnen, dass Texte in Leichter Sprache nicht justiziabel sind und somit vor Gericht kein Gewicht haben. Sie gelten immer nur als Zusatzangebot zum Originaltext. Dies liegt unter anderem an der Expansion der Leichte-Sprache-Texte. Oft muss Hintergrundwissen erst angelegt werden um die Gegenstände im Text erklären zu können. Dadurch wird der Text länger.
Während Leichte Sprache möglichst konkret sein möchte und einzelne Situationen genau erklären will, müssen in der Rechtssprache viele Eventualitäten abgedeckt werden. In Rechtstexten werden also viele Szenarien entworfen. Wenn diese Szenarien alle leicht verständlich erklärt werden würden, würde der Leichte-Sprache-Text ein Ausmaß annehmen, das niemandem helfen würde. Deswegen müssen einige Dinge weggelassen werden und der Text verliert seine Rechtssicherheit.
Anspruch auf Dolmetscher:innen
Wie zu Beginn erwähnt, haben Gehörlose und hörgeschädigte Menschen häufig einen Rechtsanspruch auf Gebärdensprachdolmetscher:innen oder Schriftdolmetscher:innen. So wurde 2017 vom Bundestag beschlossen, dass Gehörlose ab jetzt bei jedem Gerichtsverfahren einen Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher:innen haben. Vorher beschränkte sich der Anspruch nur auf Strafverfahren.
Auch auf Schriftdolmetscher:innen haben hörgeschädigte Menschen einen Rechtsanspruch und somit auf die Übernahme der Kosten bei Gerichtsverfahren.
Sie wissen nicht, ob die Kosten für einen Dolmetscher oder eine Dolmetscherin übernommen werden oder Sie möchten jemanden beauftragen, dann kommen Sie gerne auf uns zu!
Oder Sie haben Dokumente, die Sie für Ihre Zielgruppe zugänglich machen wollen, dann sprechen Sie uns gerne für ein unverbindliches Angebot an!